30 Juli 2011

Lesen macht klug und schoen 411 - Simone Frieling- Im Zimmer meines Lebens

Die schwierige, bisweilen aussichtslose Situation, in der Frauen steckten, die ihr Leben nicht nur der Kunst, sondern auch ihren Kindern verschrieben hatten, kann Simone Frielings Buch «Im Zimmer meines Lebens» bewegend schildern.
Simone FrielingIm Zimmer meines Lebens

Biografische Essays über Sylvia Plath, Gertrude Stein, Virginia Woolf, Marina Zwetaiewa u.a.





Edition Ebersbach
ISBN 978-3-86915-027-7
EUR 15,80  
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»Eine Frau braucht Geld und ein eigenes Zimmer, wenn sie Literatur schreiben soll«, hat Virginia Woolf gefordert. Doch wenn man mit Simone Frieling Schriftstellerinnen auf kalte Dachböden und in rußige Küchen folgt, in denen sie zwischen Essen und Abwasch, zwischen Windeln und Kindergeschrei geschrieben haben, stellt man erstaunt fest, dass hier Weltliteratur entstanden ist, dass hier Frauen geschrieben haben gegen alle Widrigkeiten der Welt: gegen Krankheit, Armut, Krieg, mit knurrendem Magen und Angst. Simone Frieling hat Romane, Briefe und Gedichte gelesen, in denen große Schriftstellerinnen nicht nur über die äußeren Umstände ihrer Arbeit, sondern auch über die Bedingungen ihrer Kreativität nachdachten, wie auch über ihre Konflikte zwischen Arbeit und Familie, Einsamkeit und Geselligkeit.
Die Umstände, unter denen Frauen schrieben, waren zum Glück nicht immer unerträglich/schwierig, wenn man an Gertrude Steins Salon mit den kostbaren Gemälden im Herzen von Paris denkt, an Virginia Woolfs Landhaus in Sussex oder an Elisabeth Langgässers Damenzimmer mit Blick auf den Grunewald in Berlin.
Ob in komfortablen Arbeitszimmern oder ungeheizten Hütten, ob privilegiert oder benachteiligt, immer haben die Frauen geschrieben mit der Gewissheit, schreiben zu müssen.




Simone Frieling


Simone Frieling, 1957 in Wuppertal geboren. Studium. Malunterricht bei Paul Weißhuhn. Ich bin freiberufliche Malerin seit 1984, Schriftstellerin seit 1995. Ich habe Erzählungen, Essays, Romane und Anthologien veröffentlicht, insgesamt 14 Bücher. Einzel- und Gruppenausstellungen in Mainz, Wiesbaden und Frankfurt.
Martha-Saalfeldt-Preis des Landes Rheinland-Pfalz 1998. Nach Stationen in Zürich und München lebe ich seit 1994 mit meiner Familie in Mainz.



Autorinnen zwischen Einsamkeit und Geselligkeit von Sigrid Grün
Zehn biografische Essays über Autorinnen des 20. und ausgehenden 19. Jahrhunderts enthält der neue Band «Im Zimmer meines Lebens» von Simone Frieling. Porträtiert werden Virginia Woolf, Katherine Mansfield, Gertrude Stein, Marina Zwetajewa, Natalia Ginzburg, Sylvia Plath, Anne Sexton, Else Lasker-Schüler, Elisabeth Langgässer und Kate Millett. Fast jede Autorin ist auch auf einer Schwarz-Weiß-Fotografie zu sehen.
Im Mittelpunkt steht das weibliche Schreiben – und vor allem der Ort des künstlerischen Schaffens. Und diese Orte sind sehr verschieden: Vom legendären Arbeitszimmer Gertrude Steins, das voller Gemälde bekannter Künstler (u.a. Cezanne und Picasso) hing, über das gemütliche Sofa Natalia Ginzburgs bis hin zum kargen Küchentisch, an dem Marina Zwetajewa nachts schrieb, ganz benommen vom Hunger, der ihr eigenes Leben und das ihre Kinder tagtäglich bedrohte. Virginia Woolfs in „A Room of One’s own“ formulierte Forderung nach Geld und einem eigenen Zimmer sahen nur die wenigsten der hier Porträtierten erfüllt.
Fazit: Die schwierige, bisweilen aussichtslose Situation, in der Frauen steckten, die ihr Leben nicht nur der Kunst, sondern auch ihren Kindern verschrieben hatten, kann Simone Frielings Buch «Im Zimmer meines Lebens» bewegend schildern. weiterlesen:



Simone Frieling: Im Zimmer meines Lebens. Biographische Essays über Sylvia Plath,

Portrait
 Gertrude Stein,














 
Virginia Woolf,
















und Marina Zwetajewa

Marina Zwetajewa













u.a. Virginia Woolf, deren berühmter Oxforder Vortrag (A Room of One’s Own – Ein eigenes Zimmer) neben einer gleichlautenden Gedichtzeile von Anne Sexton namensstiftend  für diesen wunderbaren kleinen Essayband gewesen sein dürfte, wird ebenso kenntnisreich und berührend porträtiert wie Katherine Mansfield, Gertrude Stein, Marina Zwetajewa, Natalia Ginzburg, Sylvia Plath, Anne Sexton, Else Lasker-Schüler, Elisabeth Langgässer und Kate Millett.

Geld und ein eigenes Zimmer – unabdingbare Voraussetzung, damit eine Frau kreativ sein und schreiben könne, hatte Woolf 1928 gefordert. Oftmals fehlt(e) den Frauen selbst dies: Zwetajewa hauste mit Kind auf einem eiskalten Dachboden, Plath hatte mit ihren Kindern nur eine winzige Wohnung und schrieb des Nächtens am abgeräumten  Küchentisch. Doch es gab und gibt auch Privilegierte wie Stein, deren Arbeitszimmer einem Bildermuseum glich oder Woolfs Landhaus in Sussex mit Blick auf den Garten.
Eindrücklich und lange nachdenklich machend zeigt Simone Frieling anhand von Auszügen aus Romanen, Gedichten, Tagebüchern und Briefen, welchen Platz die Porträtierten einnehmen konnten und unter welch unglaublichen Umständen Weltliteratur entstehen konnte, allen äußeren Widrigkeiten zum Trotz. weiterlesen im link:



Die Unbehaustheit der ortlosen Autorin - Simone Frieling stellt in „Im Zimmer meines Lebens“ biografische Essays zu zehn Literatinnen vor Von Rolf Löchel
„Drei Dinge braucht der Mann“, warb vor Zeiten die Tabak-Industrie: Feuer, Pfeife – und eben den Tabak einer bestimmten Marke. Frauen benötigen hingegen vor allem eines: „Ein Zimmer für sich allein“, wie in aufgeklärten Kreisen seit dem gleichnamigen Essay von Virginia Woolf wohlbekannt ist. Und zwar benötigen sie es insbesondere dann, wenn sie, wie Woolf selbst, schreiben. Die Überschrift des Essays regte vermutlich eine andere Autorin zum Titel eines Gedichtes an: „Das Zimmer meines Lebens“. Und der wiederum gab der Essaysammlung den Namen, von der im Folgenden die Rede sein soll. Unter dem Aspekt der Räumlichkeiten, in denen sie schrieben, stellt Simone Frieling zehn Autorinnen und ihre Arbeiten vor. „Im Mittelpunkt steht dabei die Bemühung, die allem erst den Boden bereitet: der Kampf ums eigene Zimmer, die Suche nach dem Platz zum Schreiben, dem Raum der Kreativität.“
Sollte – wie zu vermuten – die Absicht des Bandes darin liegen, das Interesse der Lesenden an Werken ihnen bislang unbekannter Schriftstellerinnen zu wecken, so dürfte es diesen Zweck ohne weiteres erfüllen. Wer sich jedoch mit den Literatinnen schon etwas näher befasst hat, wird wohl wenig Neues erfahren.
Von den zehn Autorinnen – und das sticht als erstes ins Auge – sind mit Silvia Plath, Anne Sexton, Virginia Woolf und Marina Zwetajewa fast die Hälfte Suizidantinnen. Letztere trat mit Hilfe eines von Boris Pasternak geschenkten Koffergürtels aus einem Leben, durch das sich die „in einem weitläufigen Holzhaus mit Seitenflügeln aufgewachsene“ Autorin geradezu von Tag zu Tag hungern musste.
weiterlesen:



Die Autorin wählt einen thematischen Mittelpunkt, der viel mehr beinhaltet, als vier Wände und einen Tisch: Den "Kampf um das eigene Zimmer, die Suche nach dem Platz zum Schreiben, dem Raum der ...

... Kreativität" von Schriftstellerinnen des späten 19. und des 20. Jahrhunderts. Frieling ist in ihren kurzen Essays Problemen auf der Spur, denen "alle schreibenden Frauen gleichermaßen unterworfen sind", zeigt eine Gratwanderung und Zerreißprobe auf, die Gesellschaft und Familie insbesondere für Frauen bereithalten. Hinzu kamen die Kriege und Umwälzungen einer Epoche der Extreme – viele Künstlerinnen gingen daran zugrunde.

Die Lebensumstände der aufgeführten Autorinnen sind dabei sehr verschieden: Die Leserin wandert von Virginia Woolfs "(fast) perfektem Haus" über Katherine Mansfields lebensfeindliches Unbehaustsein bis zu Elisabeth Langgässers "Damenzimmer". Dazwischen liegen sowohl Marina Zwetajewas und Else Lasker-Schülers gemarterte Existenzkämpfe, als auch Gertrudes Steins "legendäres Arbeitszimmer" und gehobener Empfangssalon für die obere Intellektuellenriege ihrer Zeit, voller Gemälde der Moderne, die heute Millionen wert sind.
Die Heftigkeit und Dramatik der Mehrheit dieser Schicksale sind schwer mit einer so kurzen Darstellungsform zu vereinbaren – Selbstmord reiht sich in schneller Abfolge an Selbstmord. Das hinterlässt zwangsläufig den Nachgeschmack einer schlaglichtartigen Betrachtung, die herausgerissene und schwer verdauliche Brocken auf den Teller häuft. Andererseits lässt die Versammlung dieser Porträts die Problematik der geschilderten Schreibsituationen aufklaffen wie einen Schnitt durch das Leben der Autorinnen. Frieling verfasst keine biografischen Kurz-Chroniken, sondern führt mitten in die "Lebenszimmer" hinein.

Zerrissenheit zieht sich durch das Buch wie das Leitmotiv eines Romans: Schreiben, so macht es überdeutlich, ist ein zermürbendes Unternehmen, das rücksichtslos an Körper und Seele sägt. Für Frauen ist es sehr oft mit unvereinbaren Lebensentwürfen verbunden. Zu den klassischen Herausforderungen der schriftstellerischen Arbeit – Ideenschübe, Nachtschichten, Ruhebedürfnis, Übermüdung, zerrüttete Nerven, Durststrecken – kamen für viele der porträtierten Autorinnen die Anforderungen der Rolle als Mutter und Ehefrau, die, etwa bei Sylvia Plath, Elisabeth Langgässer 

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und Anne Sexton,

Anne Sexton














zu Überforderung oder alternativ zu Verdrängung führten. Davor konnten selbst "Geld und ein eigenes Zimmer" nicht bewahren, die Virginia Woolf als grundlegende Voraussetzung für die schriftstellerische Tätigkeit von Frauen gefordert hatte.

Katherine Mansfield,
Portrait
Tochter großbürgerlicher Eltern, und Else Lasker-Schüler,

Mein Herz - Niemandem













Tochter eines Bankiers, Ehefrau eines Arztes und alleinerziehende Mutter, gaben ihre finanziell gesicherte Existenz in materiellem Wohlstand für ein Leben als freie Schriftstellerinnen auf. Mansfield starb "34-jährig in einem Kuhstall", Lasker-Schüler hauste zur Zeit der Veröffentlichung ihres ersten Lyrikbandes "Styx" (1902) hinter den Holzgittern eines ehemaligen Flaschenraums in einem Berliner Keller. "Und als ich gelegentlich in einem Kreise meinen Traum erzählte, der mich oftmals in der Nacht beschlich, sorgten die betroffenen Anwesenden für ein wirkliches Zimmer. Ich träumte, ich sei Gemüse – kam eine Ratte, eine große schwarze Ratte, beknabberte mich", berichtete die Dichterin.

Später übten politische und historische Erschütterungen einen gewaltsamen Einfluss auf den Lebensweg Lasker-Schülers und vieler anderer Autorinnen aus. Nach zahlreichen privaten Schicksalsschlägen, darunter der Tod ihres einzigen Sohnes Paul, musste sie vor dem nationalsozialistischen Terror allein und mittellos erst in die Schweiz, dann nach Palästina flüchten, wo sie in ärmlichsten Verhältnissen lebte. Trotzdem brachte die 70-Jährige im Exil noch die unglaubliche Energie auf, mit dem "Kraal" eine Verbindung von KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen, JournalistInnen, IngenieurInnen zu gründen, die unter ihrer Leitung regelmäßig Vorträge hielten. Durch den Reichtum ihrer Fantasie und ihre innig verwurzelte, unabhängige Glaubenskraft war die Künstlerin in der Lage, selbst Armut und Elend lange Zeit zu ertragen, ohne vollends daran zu verzweifeln. Umso verwunderlicher ist es, dass Frieling diese Fähigkeit in Lasker-Schülers Fall auf ein fantasierendes Münchhausen- und Till Eulenspiegel-Gebaren reduziert.

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